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Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofs

VW-Abgasskandal

Seit einiger Zeit beschäftigt Autofahrer der Dieselskandal. Der Bundesgerichtshof hat dazu mehrere richtungsweisende Urteile gefällt.

Welche Rechte haben Betroffene nach den Entscheidungen des BGH zum VW-Abgasskandal? Was bedeutet dies für Autobesitzer?

Nachdem im Herbst 2015 die Nachricht über illegale Abgastechnik in Dieselfahrzeugen publik wurde, hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Grundsatzentscheidung als letzte Instanz die Weichen gestellt (BGH, Urteil vom 5.5.2020, Aktenzeichen: VI ZR 252/19). Zwischenzeitlich sind weitere Grundsatzentscheidungen veröffentlicht worden.

Das Wichtigste in Kürze

Der BGH verurteilte den VW-Konzern im Mai wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) zur Schadensersatzzahlung an einen Autobesitzer. In einer weiteren Entscheidung lehnt das Gericht hingegen Deliktszinsen ab.

Dem Kläger wurde in der ersten Entscheidung Schadensersatz in Höhe des damaligen Kaufpreises zugesprochen. Für die gefahrenen Kilometer muss er sich allerdings eine Nutzungsentschädigung gegenrechnen lassen. Bei Vielfahrern kann der Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises sogar gen null gehen, wie ein neueres Urteil feststellt.

Andere betroffene VW-Besitzer mit dem Motor EA 189 hatten ebenfalls die Möglichkeit, Ansprüche gegenüber VW durchzusetzen. Die dreijährige Verjährungsfrist kann aber am 01. Januar 2019 beendet gewesen sein, wobei es auf den Einzelfall ankommt.

Das gilt auch für diejenigen, die sich an der Musterfeststellungsklage beteiligt haben.

Haben Autobesitzer bereits mit VW einen Vergleich geschlossen, sind weitere Ansprüche ausgeschlossen.

VW-Besitzer, die ihr Gebrauchtfahrzeug nach Bekanntwerden des Skandals am 22. September 2015 gekauft haben, gehen nach einer Entscheidung des BGH leer aus (Urteil vom 30.07.2020).

Haben Sie Ihre möglichen Ansprüche bisher noch nicht geltend gemacht, könnten diese je nach Einzelfall bereits verjährt sein.

Worüber hat der BGH im Mai entschieden?

Das Urteil beruht auf einer Revision, die sowohl der klagende Autobesitzer als auch der VW-Konzern gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz (Urteil vom 12.6.2019, Aktenzeichen: 5 U 1318/18) eingelegt hatten. Der Kläger hatte im Jahr 2014 ein Dieselfahrzeug der Marke VW mit dem Motor EA 189 erworben und sich nach seinen Angaben darauf verlassen, dass dieses „sauber“, also möglichst umweltfreundlich sei. Nach Bekanntwerden der Manipulation der Abgaswerte durch die Schummel-Software wollte der Kläger sein Fahrzeug zurückgeben und forderte Schadensersatz bzw. Erstattung des Kaufpreises. VW argumentierte, der Kläger habe sein Fahrzeug voll nutzen können, weswegen ihm kein konkreter Schaden entstanden sei. Das OLG Koblenz verurteilte VW bereits zur Zahlung von Schadensersatz, zog aber von der Klageforderung eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer ab. Gegen dieses Urteil richtete sich die Revision sowohl des Klägers als auch des beklagten Autobauers. Der BGH wies beide Revisionen zurück und bestätigte das Urteil der Vorinstanz.

Schadensersatz für den Kläger

Das oberste deutsche Zivilgericht folgte in seinem Urteil nicht den Argumenten des Herstellers, durch die Manipulation der Abgastechnik sei die Nutzbarkeit des Fahrzeugs nicht eingeschränkt gewesen und daher auch kein Schaden entstanden. Vielmehr sah der 6. Zivilsenat den Schaden bereits zum Zeitpunkt des Kaufs für gegeben. Es habe nämlich nur vom Zufall abgehangen, ob und wann die Manipulation mit welchen Folgen entdeckt würde.

Was bedeutet das Urteil für den Kläger?

Der BGH hat dem Kläger die Erstattung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs zuerkannt. Allerdings muss sich der Kläger eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen. Da er das Fahrzeug eine gewisse Zeit genutzt hat, wird von seinem Anspruch ein Betrag für diese Nutzung abgezogen.

Wie berechnet sich die Nutzungsentschädigung?

Eine Nutzungsentschädigung ist nicht neu. Wer sein Fahrzeug aufgrund eines Sachmangels zurückgibt, bekommt den Kaufpreis erstattet. Davon abziehen darf der Verkäufer eine Nutzungsentschädigung. Diese berechnet sich anhand der voraussichtlichen Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs sowie der tatsächlich gefahrenen Kilometer. Bei Gebrauchtfahrzeugen kommt es für die Berechnung auf die verbleibende Gesamtlaufleistung des Autos an. Es spielt also auch eine Rolle, mit welchem Kilometerstand das Fahrzeug erworben wurde. Im Klartext heißt das: Je weniger Kilometer gefahren wurden, umso weniger Entschädigung wird vom Kaufpreis abgezogen. 

Wer viel mit seinem Auto gefahren ist, kann daher sogar leer ausgehen. So entschied der BGH im Falle eines VW Passat, der bereits 255.000 Kilometer Laufleistung aufwies (BGH, Urteil vom 30.07.2020, Aktenzeichen VI ZR 354/19).

Was bedeuten die Urteile für andere Geschädigte?

Der BGH hat mit seinen Urteilen ein Machtwort gesprochen und damit für Tausende andere laufende Verfahren die Weichen gestellt. Die Instanzgerichte werden sich in den noch anhängigen, bisher nicht entschiedenen Fällen an den Urteilen des BGH orientieren. Für viele Tausend Autobesitzer rückt eine Entschädigung in greifbare Nähe. Dazu gehören auch die Beteiligten an der Musterfeststellungsklage, die sich nicht auf den Vergleich mit VW eingelassen haben. Andere wiederum werden dennoch keine Entschädigung erwarten können.

Was bedeutet das Urteil für Kläger, die bereits einen Vergleich geschlossen haben?

Ist der Vergleich rechtskräftig, ist das Verfahren damit abgeschlossen und kann auch nicht wieder aufgerollt werden. Das neue Urteil ändert daran nichts. Je nach Einzelfall muss der Vergleich für die betroffenen Autobesitzer aber nicht unbedingt schlechter sein. Ein wichtiger Unterschied: Trotz Zahlung der Vergleichssumme konnten die Betroffenen ihre Fahrzeuge behalten. Und sind die Autobesitzer viele Kilometer gefahren, können sie mit der Vergleichszahlung manchmal sogar besser dastehen als bei einer Abrechnung des Kaufpreises abzüglich der Nutzungsentschädigung.

Was hat der BGH noch entschieden?

Trotz des deutlichen Urteils im Mai 2020 waren viele Rechtsfragen noch ungeklärt. Im Laufe des Jahres 2020 hat der BGH einige weitere Entscheidungen zum Dieselskandal gefällt. So entschied das oberste Gericht, dass Deliktszinsen auf den Kaufpreis nicht verlangt werden können (BGH, Urteil vom 30.07.2020, Aktenzeichen: VI ZR 354/19). Der Grund: Der Geschädigte habe im Wege des Leistungsaustauschs eine zumindest tatsächlich voll nutzbare Gegenleistung erhalten.

Am 14. Dezember 2020 entschied der BGH, dass bereits mit Bekanntwerden der Manipulationen im Herbst 2015 die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen begann und am 31. Dezember 2018 endete. 

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