
Rechtsfrage des Tages:
Gerade nach der Corona-Zeit sehnen viele den Endspurt der Karnevalszeit mit einer Festwoche voller Vergnügungen herbei. Für Schlipse und Krawatten bedeutet das morgen eine akute Gefahr, denn es ist Weiberfastnacht. Was aber, wenn der Mann mit der gekürzten Krawatte die Sache nicht so lustig findet? Kann er Schadenersatz verlangen oder sogar Anzeige erstatten?
Antwort:
Die fünfte Jahreszeit ist in vollem Gange und nähert sich mit Rosenmontag und Weiberfastnacht ihrem Höhepunkt. Zum Brauchtum in vielen Regionen gehört es, dass Frauen an Weiberfastnacht eine besondere Narrenfreiheit genießen und mit Scheren bewaffnet durch die Büros ziehen. Aber nicht jeder versteht Spaß, wenn die Krawatte plötzlich kürzer als vorher ist. Rein rechtlich können Sie sich dadurch sogar wegen Sachbeschädigung strafbar machen. Auch Schadenersatzforderungen können Ihnen ins Haus stehen, wenn der Schlipsträger kein großer Karnevalsfan ist.
Darf ich das?
Ob Ihnen böse Folgen drohen, hängt von der Einwilligung des betroffenen Herrn ab. Natürlich verdirbt es den Spaß, wenn Sie vor dem Schnitt höflich um Erlaubnis fragen. Daher stellen die Gerichte auf die regionalen Besonderheiten ab. Sind Sie in einer der Karnevalshochburgen wie Köln, Mainz oder Aachen unterwegs, gehen die Richter meist von einer stillschweigenden Einwilligung aus. Ist ein Herr an Weiberfastnacht mit einem Schlips unterwegs, müsse er damit rechnen, dass er diesen nicht mehr im Ganzen mit nach Hause bringen wird.
Was ist Sitte?
In Regionen mit nicht derart ausgeprägter Karnevalskultur müssen Sie da schon vorsichtiger sein. Gehen Sie morgen in Hannover in eine Bank und schneiden einem nichts ahnenden Angestellten die Krawatte ab, müssen Sie schon eher mit einer Schadenersatzforderung rechnen. Auch im Büro sollten die Damen vielleicht eher zurückhaltend sein. Hat der Arbeitgeber als Bekleidungsregel den Herren eine Krawatte vorgeschrieben, ist der Faschingsbrauch häufig auch nicht so beliebt. Orientieren Sie sich an den Gebräuchen der letzten Jahre. Und sind Sie neu in der Firma, sollten Sie Ihre dienstälteren Kollegen befragen.
Genau hinschauen
Trotz allen Brauchtums kann das Abschneiden von Krawatten auch im Rheinland ins Auge gehen. Ist beispielsweise Ihr Chef erst vor Kurzem zugezogen, dürfen Sie nicht stillschweigend von seiner Einwilligung ausgehen. Vielleicht ist er Karnevalshasser und missbilligt die Sitten und Bräuche. Das Amtsgericht Essen hat beispielsweise einem ortsfremden Krawattenträger Schadenersatz zugesprochen, dessen Schlips in einem Reisebüro dran glauben musste (AG Essen, Urteil vom 03.02.1988, Aktenzeichen 20 C 691/87). Die Beklagte hätte in diesem Fall nicht von einer stillschweigenden Einwilligung ausgehen dürfen. Für ein Mitverschulden durch das provokante Tragen einer Krawatte sah das Gericht ebenfalls keinen Raum.
Immer strafbar?
Grundsätzlich stellt das Abschneiden einer Krawatte eine Straftat dar, wenn der Geschädigte nicht eingewilligt hat. Allerdings wird diese Straftat nur verfolgt, wenn der Geschädigte einen Strafantrag gestellt hat oder die Staatsanwaltschaft ein besonderes öffentliches Interesse annimmt. Letzteres dürfte eher unwahrscheinlich sein, büßt ein Herr an Weiberfastnacht seine Krawatte ein. Vergessen Sie aber nicht, dass eine strafrechtliche Verfolgung keine Voraussetzung für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen ist.
Nehmen Sie Rücksicht
Schauen Sie sich die Leute daher gut an, deren Krawatten Sie "einen Kopf kürzer" machen wollen. Und wehrt sich das Opfer vehement, sollten Sie die Schere lieber wieder einstecken. Auch wenn die Verhaltensregeln während der Corona-Pandemie weitestgehend ausgesetzt sind – einige legen immer noch Wert auf die Einhaltung eines Mindestabstands. Respektieren Sie daher, dass manche sich noch nicht wieder gern auf den Pelz rücken lassen wollen.