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„Eltern haften für ihre Kinder"

Stimmt das wirklich?

Diese Schilder kennen alle Eltern. Aber haften sie wirklich für jeden Unfug, den der Nachwuchs anstellt?

Ein kleiner Junge und ein kleines Mädchen, beide mit Bauhelm, sitzen in der Aussparung für eine Tür in einem  Rohbau.

Rechtsfrage des Tages:

An den meisten Baustellen finden Sie den Hinweis, dass Eltern für ihre Kinder haften. Stimmt das oder handelt es sich um einen weitverbreiteten Rechtsirrtum?

Antwort:

Wenn Kinder spielen, kann immer etwas zu Bruch gehen. Und die kindliche Neugier macht gerade Baustellen und abgesperrte Bereiche besonders interessant. Stellt der Nachwuchs etwas an, haften tatsächlich nicht pauschal die Eltern. Je nach Alter des Kindes kann der Geschädigte es selbst in Anspruch nehmen. Andernfalls müssen die Eltern nur für ihre Aufsichtspflicht einstehen.

Immer noch Kind?

Der Begriff „Kind" ist nicht nur sprachlich dehnbar. Auch in der juristischen Definition gibt es unterschiedliche Altersgrenzen, wann ein Kind kein Kind mehr ist. Beispielsweise nach dem Jugendschutzgesetz gilt als Kind, wer noch nicht 14 Jahre und als Jugendlicher, wer zwischen 14 und 18 Jahren alt ist. Das Jugendarbeitsschutzgesetz zieht die Grenze hingegen bei 15 Jahren. Bei der Frage der Verantwortlichkeit für sein Handeln unterscheidet das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) nicht konkret zwischen den Begriffen „Kind“ und „Jugendlicher“. Diese sind bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Minderjährige.

Alt genug für die Haftung?

Nach § 823 BGB haftet jeder selbst für Schäden, die er einem anderen widerrechtlich zugefügt hat. Dabei kann er den Schaden sowohl fahrlässig als auch vorsätzlich herbeigeführt haben. Kinder stellt das Gesetz aber unter einen besonderen Schutz. Bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres gelten Kinder als nicht deliktsfähig. Das bedeutet, sie können für verursachte Schäden nicht zur Verantwortung gezogen werden. Im motorisierten Straßenverkehr verschiebt sich die Grenze auf das 10. Lebensjahr. Nur bei vorsätzlichem Handeln haften auch Kinder zwischen 7 und 10 Jahren für Schäden aufgrund von Unfällen im Straßenverkehr. Zwischen dem 7. oder 10. und dem 18. Lebensjahr haften Kinder als beschränkt deliktsfähig nur, wenn sie aufgrund ihres Alters und ihrer Reife Einsicht in ihr Handeln hatten. Ein Beispiel: Ein normal entwickelter 16-Jähriger muss wissen, dass er eine Glasscheibe nicht als Fußballtor verwenden darf. Geht die Scheibe durch einen gezielten Schuss zu Bruch, muss der Jugendliche den Schaden ersetzen. 

Haften die Eltern?

Umgekehrt kann von einem Vierjährigen nicht erwartet werden, dass er einer offenen Baustelleneinfahrt widersteht. Haftet ein Kind aufgrund dieser Regeln nicht selbst, kommt eine Haftung der Eltern oder Erziehungsberechtigten in Betracht. Wichtig ist dabei der Umstand, dass sie nicht für fremdes Verschulden haften. Sie können nur für die Verletzung ihrer Aufsichtspflicht herangezogen werden. Die Gerichte stellen allerdings recht hohe Anforderungen an eine solche Aufsichtspflichtverletzung und berücksichtigen dabei die Eigenständigkeit des Kindes. 

Wie viel Aufsicht ist nötig?

Der Umfang der Aufsichtspflicht richtet sich nach Alter und Entwicklung des Kindes. Starre Grenzen gibt es dabei nicht. Auch die Gerichte schauen stets genau auf den Einzelfall. Geht ein Grundschulkind beispielsweise schon allein seinen Schulweg, müssen die Eltern es auch nicht draußen beim Spielen ununterbrochen im Auge haben. Gelegentlich sollten sie aber schon nachsehen, was das Kind so anstellt. Je älter das Kind ist, umso weniger Kontrolle erwarten die Gerichte von den Eltern.

Wissen, was erlaubt ist

Ab einem gewissen Alter ist es für Kinder wichtig, eigene Erfahrungen auch ohne die Eltern zu sammeln und selbstständig zu werden. Bevor Eltern ihre Kinder aber alleine lassen, müssen sie bei ihrem Kind ein Rechtsbewusstsein schaffen. Es ist wichtig, dass Kinder frühzeitig lernen, fremdes Eigentum zu achten und sie nicht aus Langeweile oder schlechter Laune einfach ein Auto zerkratzen dürfen. Im Streitfall wird es meist schwer sein, entsprechende Versäumnisse nachzuweisen. Hat es aber im Vorfeld bereits einen ähnlichen Vorfall gegeben, sind die Eltern deutlich stärker in der Pflicht.

„Eltern haften für ihre Kinder“

Wie sieht es aber mit den altbekannten Baustellenschildern aus? Können die Betreiber mit einem entsprechenden Hinweis die Haftung auf die Eltern übertragen? Die Schilder sind von der Formulierung her eigentlich falsch. Eltern haften nicht für ihre Kinder. Eltern haften für ihre Aufsichtspflicht über ihre Kinder. Können Eltern nachweisen, dass sie ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen sind, haften sie nicht für Schäden, die das Kind verursacht hat. Allein durch ein Schild wird keine zusätzliche Haftung der Eltern begründet. Vielmehr ist es die Pflicht eines Betreibers, z. B. einer Baustelle, seiner Verkehrssicherungspflicht nachzukommen und die Baustelle vor dem Zutritt Unbefugter zu sichern. Dies muss er im Schadenfall nachweisen können.

Schutz der Kleinen

Diese Haftungsregeln gelten nicht nur, wenn das Kind einen Schaden verursacht. Natürlich kann es auch passieren, dass ein Kind sich beim unbefugten Betreten einer Baustelle verletzt. Mit dem Schild kann der Betreiber sich nicht aus der Haftung ziehen. Und schon gar nicht kann er die alleinige Verantwortung auf die Eltern abwälzen. Ist etwas passiert, kommt es auf die Erfüllung der Aufsichtspflicht der Eltern und der Verkehrssicherungspflicht des Betreibers an.

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