Was bewirkt der Kundenbeirat

„Ist dieser Kundenbeirat nicht nur ein PR-Gag?“

Seit vier Jahren arbeitet ERGO mit einem Beirat: 25 unserer Kunden sollen uns unverblümt sagen, was wir verbessern können. Die Idee klingt gut, aber was bewirkt das Gremium wirklich? Fühlen sich die Mitglieder ernst genommen? Ein Gespräch mit Ingo Pregitzer, dem stellvertretenden Sprecher des Beirats.

Amelie Kollhoff: Herr Pregitzer, warum wollten Sie Beirat werden?
Ingo Pregitzer: Weil ich darin eine hervorragende Möglichkeit sehe, mit konstruktiver Kritik direkt auf ein Unternehmen einzuwirken, das für mich und andere Versicherte im täglichen Leben keine unbedeutende Rolle spielt.

Kollhoff: Spielten auch persönliche Erfahrungen eine Rolle?
Pregitzer: Selbstverständlich. Mich stört etwa diese permanente Postflut von ERGO, unglaublich. Ich habe den Eindruck, jede Woche werden Briefe und Flyer versendet. Ist das wirklich notwendig? Bei Millionen von Kunden müssen da riesige Kosten entstehen! Das meiste Werbematerial landet doch oft ungelesen im Mülleimer, selbst bei mir. Das kann in Zeiten der Smartphones und Tablets nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Kollhoff: Werden Sie das in Ihrer Amtszeit ändern?
Pregitzer: Das wäre schön, aber man muss auch realistisch bleiben. ERGO ist nicht das einzige Unternehmen mit diesem Problem. Wenn es eine einfache Lösung gäbe, wäre sie schon umgesetzt. Zu diesem Thema gab es in den beiden ersten Sitzungen des neuen Beirats schon viele interessante Ideen.

Amelie Kollhoff und Ingo Pregitzer - ERGO Kundenbericht 2015Mal ehrlich: ERGO Werkstudentin Amelie Kollhoff stellte Ingo Pregitzer ihre kritischen Fragen im Restaurant Kipos in den Elberhallen in Hagen, der Heimatstadt des stellvertretenden Beiratssprechers. Er würde eine Internet-Plattform begrüßen, auf der alle Kunden Anregungen für Verbesserungen geben könnten.

Kollhoff: Was macht der Beirat konkret?
Pregitzer: Bei unseren Treffen definieren wir gemeinsam wo wir die Probleme sehen und was wir für alle Kunden erreichen wollen. In Workshops versuchen wir, umsetzbare Lösungen zu erarbeiten.

Kollhoff: Sie treffen sich nur zwei Mal im Jahr für einen Tag. Da kann man doch praktisch fast nichts erreichen, oder?
Pregitzer: Die Zeit ist knapp. Aber man darf nicht vergessen: Wir machen das alle freiwillig und müssen uns für die Fahrten zur ERGO Zentrale nach Düsseldorf extra Urlaub nehmen. Trotzdem schaffen wir es, an einem Tag erstaunlich viele Prozesse zu hinterfragen und Veränderungen anzustoßen. Das gelingt auch, weil viele ERGO Entscheider mitmachen. Die Zeit wird also effizient genutzt.

Kollhoff: Passiert denn zwischen den Treffen noch irgendetwas?
Pregitzer: Wir sind ja erst am Anfang. Aber wir wollen auch zwischen den Sitzungen in Kontakt bleiben, etwa per Mail. Zusätzlich finden zwischen den Sitzungen Beratungen statt. Ich selbst habe an einer Telefonkonferenz mit dem Kundensprecher-Team und drei Beiräten teilgenommen. Es ging um das ERGO Engagement an Schulen. Wir waren sehr erfreut, dass der Vorstand später unseren Empfehlungen tatsächlich gefolgt ist.


„Fühlen Sie sich von ERGO denn ernst genommen?“
Amelie Kollhoff

„Wäre es nur ein schöner Schein, würde es nach hinten losgehen!“
Ingo Pregitzer


Kollhoff: Fühlen Sie sich von ERGO denn ernst genommen? Bei solchen Einrichtungen liegt ja der Verdacht nahe, es handele sich nur um eine PR-Maßnahme des Unternehmens?
Pregitzer: Das kann ich nicht bestätigen. Bei unserem ersten Treffen hat der Vorstandsvorsitzende 90 Minuten lang auch sehr kritische Fragen beantwortet, später zusätzlich andere Vorstandskollegen. Wir arbeiten also mit echten Entscheidern zusammen und unsere Empfehlungen werden oft umgesetzt. Das ist alles schon recht überzeugend. Wenn wir nur schöner Schein wären, würde das in Zeiten von Social Media garantiert sofort ein PR-Desaster. Das kann sich kein Unternehmen leisten.

Kollhoff: Alle Beiräte erhalten besondere Einblicke in ERGO, sie kriegen die Kosten für eine Fahrt nach Düsseldorf und eine Hotelübernachtung ersetzt – können Sie trotz der Einladung eigentlich noch objektiv bleiben?
Pregitzer: Natürlich freut man sich über die Einladung. Aber ich versichere Ihnen: Sobald wir am Tisch sitzen, zählt nur noch die Kritik, die wir los werden wollen! Denn die ist für alle Beiräte der wichtigste Grund, sich hier zu engagieren.

Kollhoff: Wenn der Vorstandsvorsitzende und andere ERGO Manager ausführlich ihre Perspektive darlegen, besteht doch die Gefahr, dass man die Kundenperspektive vergisst und plötzlich nur noch wie ein ERGO Verantwortlicher denkt?
Pregitzer: Manch einer mag für einen Augenblick versucht sein, diese Position einzunehmen. Wir sind alle auch deswegen langjährige Kunden, weil wir überwiegend zufrieden sind. Dennoch geht es um die 20 Prozent, die wir für verbesserungswürdig halten. Daran ändert auch eine gute Rede des Chefs nichts.

Kollhoff: Die Beiräte sollen alle Kunden der ERGO repräsentieren, aber die Kritik der anderen Millionen Kunden fließt gar nicht ein?
Pregitzer: Wir selbst bringen schon viel ein, teils auch durch „ERGO Erlebnisse“ im Freundes- und Bekanntenkreis. Aber es stimmt: Uns fehlt der Input der vielen anderen Kunden. Das ist schade. Der Beirat könnte ein wichtiges Bindeglied zwischen Unternehmen und Versicherten sein. Er wäre meiner Ansicht nach der ideale Ansprechpartner.

Kollhoff: Warum?
Pregitzer: Viele artikulieren ihre Probleme wahrscheinlich gar nicht gegenüber ERGO, vielleicht weil sie Berührungsängste haben. Von Kunde zu Kunde spricht es sich leichter, weil man auf der gleichen Seite steht.

Kollhoff: Was schwebt Ihnen konkret vor, wie sollte so ein Austausch stattfinden Ihrer Meinung nach?
Pregitzer: Wir würden uns wünschen, dass ERGO eine interne Plattform bietet. Dort könnten sich die Kunden per Mail, gerne auch anonym, mit ihren Sorgen und Problemen an den Beirat wenden. Wir könnten aus diesen Eingaben weitere Schwerpunktthemen für unsere Arbeit herausfiltern. Damit wäre unser Einsatz noch effektiver.

Kollhoff: Ist das Ihr wichtigstes Ziel für die laufende Amtszeit als Beirat?
Pregitzer: Sicher eins von mehreren Zielen, denn um repräsentativer zu sein, brauchen wir mehr kritische Meinungen. Damit können wir mehr Druck machen. Das wird im Endeffekt natürlich auch dem Unternehmen helfen, die Zufriedenheit der Kunden zu erhöhen. Also hätten alle etwas davon.

Ingo Pregitzer lebt in Hagen und ist stellvertretender Sprecher des ERGO Kundenbeirates. Er arbeitet als Angestellter im After-Sales-Management.

Amelie Kollhoff ist Werkstudentin beim ERGO Kundensprecher in Düsseldorf.

(Foto: Andreas Fechner)